Geschichte der Caritas
9. November 1897: Lorenz Werthmann gründet den Deutschen Caritasverband
Katholische Sozialpolitiker, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts einen katholisch-caritativen Zentralverband forderten, fanden im jungen Priester Lorenz Werthmann die dynamische Persönlichkeit zur Realisierung dieses Zieles. Mit dem im Frühjahr 1895 in Freiburg gebildeten „Charitas-Comité“ bereitete Werthmann die Gründung des „Charitasverbandes für das katholische Deutschland“ vor, die er am 9. November 1897 in Köln vollzog. Der neue Verband engagierte sich bald auf vielen Gebieten sozialer Not: Für Saisonarbeiter, Seeleute, Tippelbrüder, Trinker, Körper- und geistig behinderte Menschen, Geschlechtskranke setzte er sich ebenso ein wie für Kindergärten, Fürsorgeerziehung, Mädchenschutz, Krankenpflege und Frauenfragen.
Anfang des 20. Jahrhunderts: Der Verband schafft zukunftsfähige Strukturen
Der Erste Weltkrieg brachte nicht nur neue Notsituationen für die Menschen in Deutschland. Er legte auch die Gefahren offen, die dem jungen Verband durch seine unzulängliche Infrastruktur, Finanzplanung und Aufgabenkonzeption drohten. 1916 legitimierten die deutschen Bischöfe den Caritasverband als Sozialdienst der katholischen Kirche und sicherten ihm ihre Förderung zu. Als Gründerpräsident Lorenz Werthmann fünf Jahre später starb, hatte der Verband eine feste organisatorische Basis. Sein Nachfolger Präsident Benedict Kreutz führte diesen Prozess weiter. Vor allem schuf er in den zwanziger Jahren ein beachtliches Netz von Ausbildungsstätten für soziale Berufe und Fortbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter des Verbandes. Die Schwerpunkte lagen dabei auf den Bereichen der Kinder- und Jugendfürsorge, der Krankenpflege und der Seelsorgehilfe.
Im Dritten Reich: Die Caritas bleibt trotz Kontrolle weiter aktiv
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Staat und freien Wohlfahrtsverbänden endete 1933 mit der nationalsozialistischen Diktatur. Parteistaatlicher Dirigismus und Gleichschaltung sparten auch die Wohlfahrtspflege nicht aus. Kontrolliert und überwacht, in seinen Tätigkeiten eingeengt, durch Verhaftungen von Mitarbeitern in der Zentrale und vor Ort eingeschüchtert, blieb der Deutsche Caritasverband dennoch am Leben: als arbeitsfähige und nicht gleichgeschaltete Institution christlich fundierter Nächstenliebe. Durch zähes, vorsichtiges und kluges Verhandeln, mit viel Mut und Demut, hatte Präsident Kreutz dies erreicht. Die Bedeutung dieser Leistung wird nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands im Jahre 1945 erkennbar.
Nach dem 2. Weltkrieg: Die Caritas als verlässliche Hilfe für Menschen in Not
Nach dem 2. Weltkrieg war der Caritasverband (neben dem neu gegründeten Hilfswerk der Evangelischen Kirche) als einzige überregionale Organisation sofort arbeitsfähig und kümmerte sich um die Not leidende Bevölkerung. Durch die Vermittlung umfangreicher Auslandshilfen, durch Flüchtlingshilfe und Familienzusammenführungen trug die Caritas viel zum Abbau der Kriegsfolgen bei. Präsident Kreutz starb 1949 – im Gründungsjahr der Bundesrepublik, als die Nachkriegsnot langsam zurückging.
1950 – 1990: Die Caritas hilft auch im Ausland
Zu den traditionellen Aufgaben im Inland kamen neue Schwerpunkte hinzu: Ende der 50er-Jahre leistete die deutsche Caritas erstmals internationale Not- und Katastrophenhilfe. Eine Motivation dafür war die Erinnerung an die Unterstützung, die Deutschland nach dem Weltkrieg vom Ausland erhalten hatte. Heute leistet Caritas international als Teil des Deutschen Caritasverbandes die Not- und Katastrophenhilfe für die Länder Europas und der Dritten Welt. Das Hilfswerk ist von den deutschen Bischöfen dafür beauftragt.
Nach der Wende: Die Caritas vernetzt sich bundesweit
Die politische Wiedervereinigung Deutschlands 1990 hatte auch Auswirkungen auf die Caritas: Die Verbände in der ehemaligen DDR gaben ihre Neu- oder Wiedergründung als eingetragene Vereine bekannt und sind seither Teil des Deutschen Caritasverbandes. Die deutsche Caritas engagiert sich seit der Öffnung des eisernen Vorhangs auch für den systematischen Aufbau sozialer Hilfen in den Ländern Ost- und Südosteuropas.
Im 21. Jahrhundert: Der soziale Markt wächst
Die soziale Landschaft in Deutschland verändert sich. Aus manchen Feldern hat sich der Staat zurückgezogen. Private Anbieter treten neben den klassischen Wohlfahrtsorganisationen auf. Dies ist besonders im demografisch bedeutenden Seniorenbereich wahrzunehmen. Viele Einrichtungen und Dienste der Caritas haben gelernt sich auf dem Markt der sozialen Dienstleistungen zu bewegen. Ihr Plus an ehrenamtlichen Angeboten macht sie attraktiv. Ebenso die Verbindungen in die politischen Gemeinden und Seelsorgeeinheiten hinein, Diese Sozialraumorientierung ermöglicht eine Kultur der Teilhabe und Solidarität.